12. Januar 2018

World Happiness Report

oder
Spurensuche: Warum sind die Dänen so glücklich?

Zum vierten Mal wurde im März letzten Jahres der „World Happiness Report“ veröffentlicht (vom „UN-Netzwerk zur nachhaltigen Entwicklung“). Er geht der Frage nach:

Wie glücklich sind die Menschen in ihrem Land?

Dreimal in Folge landete Dänemark auf Platz 1, dieses Mal auf Platz 2, aber nur ganz knapp hinter Norwegen. Deutschland dümpelt erneut auf Platz 16.
Wenn es uns gelänge zu verstehen, was die Dänen denn so glücklich macht, könnten wir uns vielleicht ein Stück von diesem Kuchen abschneiden, ... sofern man die Kunst glücklich zu sein erlernen, das Heft also selbst in die Hand nehmen kann.

Der World Happiness Report basiert logischerweise auf Länderdaten und auf Befragungen, also der Selbstwahrnehmung der Bürger.
Erfragt werden z. B.
Quelle
Das wird in Beziehung gesetzt zu Länderdaten.
Wer sich diesbezüglich kundig machen möchte, wird unter »Länderdaten« reichhaltig fündig, aber auch in vielen anderen Quellen.
Ich denke jedoch nicht, dass man der Frage nach dem Glück der Dänen mit Statistiken und Rankings zahlreicher Aspekte zu Leibe rücken kann, um die jeweiligen Platzierungen schlussendlich zum gegebenen Glücks- und Wohlgefühl aufzuaddieren. Zumal Statistiken, die zunehmend unsere Welt beherrschen, niemals besser sein können als die Qualität der Daten, aus denen sie gewonnen werden. Unter uns: Ich kann das Wort "Studie" bald nicht mehr hören. Zu oft hab ich den Eindruck, dass Menschen in unserem Land mit geballter Ladung Mathematik mundtot gemacht werden und die Strippenzieher sich das herausklauben, was sie in ein gutes Licht setzt. „Signifikant“ ist dabei ein häufig gebrauchtes Schlagwort, meist wohl eher unverstanden.
Alldieweil es, wie dieser Tage in einem Artikel unserer Tageszeitung zu lesen war, in Deutschland als „cool“ gilt, einzugestehen, dass man Mathematik in der Schule nicht konnte.
In skandinavischen Ländern wie Dänemark hingegen werde Mathematik als große Kulturleistung angesehen, dort sei die Wertschätzung sehr viel höher.
Keine/keiner brüstet sich damit, nichts zu können.

Nun werde ich nicht so vermessen sein zu behaupten, dass die Dänen deswegen glücklich sind. Jedoch ist es eine Facette in einem immens wichtigen Bereich, nämlich dem Bildungssystem. Das, wie ich meine, sehr viel besser daherkommt als das unsrige.
Wussten Sie beispielsweise, dass ...
... Studenten in Dänemark über die „Staatliche Ausbildungsunterstützung (Statens Uddannelsesstøtte)“ und unabhängig vom elterlichen Einkommen monatlich ca. 800 € erhalten, was zudem im Unterschied zu unserem BAföG nicht zurückgezahlt werden muss? Allerdings gelten strenge Regeln (z. B. ist nebenher einem Studentenjob von 10 bis 12 Stunden nachzugehen).
... 87% aller Dänen die 9-jährige, mit einer Abschlussprüfung endende „Volksschule (Folkeskole)“ vom 7. bis zum 16. Lebensjahr besuchen. Des Weiteren gibt es eine freiwillige Vorschulklasse für Kinder im Alter von sechs Jahren sowie ein freiwilliges zehntes Schuljahr.
Übrigens gibt es in Dänemark so gut wie keine Analphabeten. Bei uns berichten die Gazetten (z. B. ZEIT), es gebe 7,5 Millionen funktionale Analphabeten, ups!
Zu Details des dänischen Schulsystems finden sich im Netz viele Quellen.
Bevor ich mich in Details und einzelne Sachverhalte verliere, möchte ich aus meiner Sicht Vermutungen anstellen, warum die Dänen das Glück gepachtet haben. Wie haben wir das als Gäste (und damit Fremde) in diesem Land wahrgenommen (und vielleicht können die Leserinnen und Leser noch weitere Punkte beisteuern)?

Was also sprang uns ins Auge?
Die lila Kleeblatt-Wolke sagt es euch:
Zufriedenheit – warum das?
Anfänglich waren wir entsetzt über die hohen Preise. Jesses, die Alltagskosten sind in Dänemark fast 40% höher als bei uns. Das wundert nicht, beträgt doch der Mehrwertsteuer-Satz 25% auf alles.
Verdienen die Dänen so viel, dass sie das klaglos tragen können? Tatsächlich liegt das Durchschnittseinkommen (Brutto) in  Dänemark bei 4.300 €, wir müssen uns mit 3.300 € begnügen, satte 30% weniger. Das amortisiert das in etwa, könnte man meinen. Jedoch sind die progressiven Steuersätze (Einkommen) in Dänemark beachtlich, bis an die 60% (bei uns bis 50%, incl. Soli).
Irgendwo las ich, ein sehr gut verdienender Däne sei gefragt worden, ob ihn die hohe Einkommensteuer nicht mächtig ärgere; er habe geantwortet: „Warum, ich habe doch ein gutes Auskommen mit dem was mir bleibt!“. Käme uns Deutschen ein solcher Satz über die Lippen?
Übrigens: In Dänemark gilt es als sehr unschicklich, zu protzen und zu zeigen was man hat. Bei uns laufen sogar Werbespots, in denen man sich mit dem/den Nachbarn vergleicht.

In Dänemark sind Armut, Kinderarmut und Altersarmut nahezu kein Thema, bei uns sehr wohl.
Und wenn ich zu bestimmten Zeiten bei uns durch die Stadt laufe, treffe ich zunehmend Menschen, die die Mülltonnen nach Ess- oder Verwertbarem durchsuchen, in Dänemark habe ich das noch nie gesehen.
Wusstet ihr, dass in Dänemark das Betteln verboten ist? Letztes Jahr wurden die Strafen dafür sogar noch erhöht (siehe taz).

Das Gesundheitswesen in Dänemark ist völlig anders gestrickt als bei uns. Und im Prinzip ganz einfach: Alle Dänen sind staatlich versichert (Krankheit und Pflege), die Kosten werden (zu 80%) aus Steuermitteln finanziert (den Rest tragen die Bürger durch Eigenbeteiligung, vor allem bei Zahnärzten und Medikamenten, bei). Niemand muss Angst haben, durch dieses soziale Netz zu fallen.
Die umfänglichen Details dazu sind im Internet zu finden; in einer Quelle ist zu lesen:
»Nicht ohne Stolz verweisen Dänen aus allen Bevölkerungsschichten darauf, dass die traditionell absolut gleichen Behandlungsrechte im Gesundheitswesens ohne Rücksicht auf den Geldbeutel immer ein wichtiger Grundpfeiler im eigenen Wohlfahrtsstaat gewesen ist.« und »Einzelzimmer in einem öffentlichen dänischen Krankenhaus sind … für Geld auch von Milliardären nicht zu ergattern.«
Interessant auch ein Artikel aus der DIE ZEIT (26/2016):
»Im Rahmen einer Gesundheitsreform sei in DK die Zahl der Krankenhäuser (von 90) auf 32 (aber die top!) reduziert worden. Würden wir das dänische System übernehmen, bräuchten wir in Deutschland nur 330 statt 2.000 wie zurzeit. In Dänemark seien die Gesundheitskosten deutlich niedriger – und trotzdem die Gesundheitsbilanz vorbildlich gut.«

Und in Dänemark gibt es ein Volksrentensystem (Folkepension), aus Steuergeldern und Beiträgen der Beschäftigten finanziert. Es ist eine Grundsicherung, die jeder erhält, der 40 Jahre in Dänemark gelebt hat, zurzeit in Höhe von 1.600 € (vor Steuer). Auch Menschen ohne berufliche Tätigkeit erhalten sie. Darüberhinaus gibt es noch eine „Kapitalpension“, finanziert aus Beiträgen der Arbeitnehmer (bis zu 10% des Arbeitslohnes, Bestandteil des Arbeitsvertrages), und eine freiwillige Vorsorge (mit Steuervorteilen).
Gewiss ist das nicht alles, was die Menschen in Dänemark zufrieden sein lässt.
Aber wenn man sich keine Sorgen machen muss, im Krankheitsfall oder bei Invalidität, bei Pflegebedürftigkeit oder im Alter in ein finanzielles Desaster zu geraten – das trägt zur Lebensqualität erheblich bei.
Es gibt aber auch Bereiche, in denen die Deutschen viel tiefer in ihr Portmonee greifen müssen als die Dänen, so dass man sich richtig abgezockt vorkommt, z. B.
6 GB Datenvolumen (LTE) kosten bei uns rund 26 €. In Dänemark gibt es für ca. die Hälfte (15 €) unbegrenztes Datenvolumen. Unglaublich, gell!

Noch eine Frage zum Abschluss: In welchem von 176 Ländern dieser Welt ist die Korruption am geringsten?
Na klar – in Dänemark!



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